Im folgenden Abschnitt haben wir für Sie interessante Informationen über den Seeadler zusammengestellt. Illustriert wurden die Texte mit Fotos von fokus-natur.de.
Lateinisch: Haliaeetus albicilla
Englisch: White-tailed Eagle
Französisch: Pygargue à queue blanche
Schwedisch: havsörn
Spanisch: Pigargo Europeo
Italienisch: Aquila di mare
Russisch: Орлан-белохвост
Historisches zum Seeadler
1978 widmet Horst Stern dem Seeadler in seinem Buch „Rettet die Vögel“ (9) ein Kapitel mit dem Titel „Seeadler: Nur noch 4 Paare in Deutschland“. Hier ein Auszug:
„Mehr als ein Mensch groß wird, nämlich 2,45 m, spannen die Flügel des größten unserer Greifvögel. Beim Seeadler ist alles mächtig und groß, vor allem die Werkzeuge für das Ergreifen, Töten und Bearbeiten der Beute, nämlich die Läufe, die Zehen, die Krallen und der Schnabel.
Der immer etwas plump wirkende Vogel hat vielseitige und erfolgreiche Jagdmethoden entwickelt. Von einem erhöhten Punkt oder einfach vom Erdboden aus beobachtet er ruhig sitzend seine Umgebung und stößt plötzlich zu oder fliegt ruhig gleitend dicht über dem Boden und überrumpelt seine Beute. Selbst Reiher, Störche und Kraniche können ihm zum Opfer fallen. Er räubert Nester anderer Greifvögel und Reiher aus oder läßt sich aus großer Höhe steil ins Wasser fallen, wobei er wie ein Fischadler vollkommen eintauchen kann. Bis zu acht Kilogramm schwere Hechte können dabei seine Beute werden, während er selbst nur zwischen drei und sieben Kilogramm wiegt….Aber auch eine andere Art, zu Nahrung zu kommen, hat sich der Seeadler angewöhnt, selbst wenn sie nicht besonders „majestätisch“ ist: Man kann Schwächeren die Beute abjagen. Der Seeadler sucht sich dafür besonders den wesentlich kleineren Fischadler aus und an den Küsten die Möwen. Im Winter gehen Seeadler häufig auch an Aas. Ihr Speisezettel ist entsprechend der vielen Jagdmethoden sehr vielseitig und besteht neben Fischen und Vögeln (bis zur Größe eines Schwans) auch aus Mäusen, Maulwürfen, Füchsen, kleinen Hunden, Rehen und Frischlingen.“
Horst Stern musste aber auch Trauriges über den Niedergang der Seeadlerbestände in Mitteleuropa berichten:
„Ehedem war der Seeadler in der Norddeutschen Tiefebene ein verbreiteter Brutvogel. In den Wäldern Bayerns hat er bis 1860 gebrütet, und in Niedersachsen fand sogar 1960 der letzte Brutversuch statt. In Schleswig-Holstein dagegen war schon bald nach 1875 der Bestand erloschen. 1927 scheiterte ein Wiederansiedlungsversuch durch Abschuß des Weibchens. Um 1946 wurde Schleswig-Holstein von Mecklenburg aus wieder besiedelt; heute brüten dort vier bis fünf Paare.
In vielen Ländern ist der Seeadler ausgestorben, so in Dänemark (1960), Irland (1910/11), England (1916, Österreich (1946), Sardinien und Korsika. Nur noch kleine Bestände gibt es in Finnland (neun Paare), in der Tschechoslowakei (ein Paar), in Rumänien, Griechenland und Jugoslawien. Überall muß man um den Fortbestand des mächtigen Greifvogels äußerst besorgt sein.
Viele Ursachen führten zum katastrophalen Niedergang des europäischen Seeadlerbestandes. Rücksichtslose Verfolgung des angeblichen Nahrungskonkurrenten, Schießlust, Eierraub, Vertreibung vom Brutplatz durch Neugierige, Abholzung alter Baumbestände, Holzeinschlag während der Brutzeit gehen unmittelbar auf das Konto verständnisloser Menschen. Als Endglied von Nahrungsketten sammeln sich im Organismus des Seeadlers besonders hohe Rückstände an Pestiziden und anderen giftigen Stoffen (z.B. PCB – poychlorierte Biphenyle) an. In den Eiern keiner anderen Vogelart wurden bei uns so hohe Mengen von Rückständen dieser giftigen Stoffe festgestellt wie beim Seeadler. Als Folge davon werden die Eischalen dünner und zerbrechen beim Brüten, oder die Jungen sterben ab.“
Obwohl angemerkt werden muss, dass sich Sterns „Deutschlandangaben“ ausschließlich auf die alte Bundesrepublik bezogen und im Osten Deutschlands zur gleichen Zeit in Mecklenburg-Vorpommern noch etwa 80 Seeadlerpaare überlebt hatten, war die Situation auch hier besorgniserregend.
Dass die Verwendung des Insektizids DDT in der Landwirtschaft wirklich die Hauptursache für den Rückgang vieler Greifvogelarten war, zeigten die folgenden Jahre eindrucksvoll bei den Seeadlern.
Nach dem Verbot der Anwendung von DDT in Europa – 1972 auch in der BRD realisiert – und einem Ministerratsbeschluss, der 1970 für die DDR einen „Abbau“ der Anwendung von DDT in Land- und Forstwirtschaft anordnete, stieg der Bruterfolg in den folgenden 15 Jahren von maximal 0,22 Jungvögeln/Brutpaar auf durchschnittlich fast einen Jungvogel/Brutpaar.
Wer mehr über die genauen Zahlen wissen möchte, dem empfehlen wir:
- HAUFF, P. & L. WÖLFEL (2002): Seeadler (Haliaeetus albicilla) in Mecklenburg-Vorpommern im 20. Jahrhundert. Corax 19, Sonderheft 1: 15-22.
- Günter Hansen, Peter Hauff, Wolf Spillner (2003): Seeadler Gestern und Heute, Verlag Erich Hoyer
Die Erholung der Bestände hält seither in weiten Teilen des Verbreitungsgebietes an. Heute wird für Europa von 9.000 – 12.300 Brutpaaren ausgegangen – geschätzte 50-74% des globalen Bestandes (8). Seit 2005 muss die Art deshalb nicht mehr als gefährdet eingestuft werden.
Verbreitung und Lebensweise des Seeadlers
Seeadler sind mit nur einer Unterart in einem breiten Streifen über die gemäßigten, borealen und arktischen Zonen Europas und Asiens von Island bis Kamtschatka und Japan verbreitet. Besiedelt werden immer gewässerreiche Gebiete, wie Küstenregionen oder Wald-Seen-Landschaften. Hier leben die adulten Adler normalerweise in einer lebenslangen Dauerehe zusammen. Als Standvögel verlassen europäische Seeadler ihre Brutreviere das ganze Jahr über nicht. Bereits im Winter beginnt hier die durch auffallende Rufe und Schauflüge begleitete Balzphase. Die Horste werden an den Küsten Nordeuropas in Felswänden errichtet, auf einsamen Inseln sogar auf dem Boden; ansonsten aber ausschließlich auf alten hohen Bäumen. Durch die typische vieljährige Nutzung bevorzugter Horste erreichen diese mitunter für Vogelnester gigantische Ausmaße. Durchmesser von zwei Metern, eine Höhe von mehr als vier Metern und ein Gewicht über 500 kg können dann durchaus erreicht werden.
Die Ablage der meist zwei (1 – 3) weißen Eier erfolgt normalerweise bis Ende März. Gebrütet wird von beiden Elternteilen abwechselnd etwa sechs Wochen lang. Nach dem Schlüpfen werden die Jungvögel noch bis zu drei Monaten von beiden Eltern auf dem Horst versorgt.
Nach dem Verstreichen aus dem elterlichen Revier schließen sich junge und später auch immature Seeadler vor allem bei lokalem Nahrungsreichtum zu größeren Gruppen von mehr als 20 Individuen zusammen und nutzen gemeinsame Schlafplätze.
Quellenangaben:
- Theodor Mebs; Daniel Schmidt: Greifvögel Europas – Biologie – Bestandsverhältnisse – Bestandsgefährdung. Franckh-Kosmos Verlag, Stuttgart 2012 (1)
- Theodor Mebs: Die Greifvögel Europas, Nordafrikas und Vorderasiens – Biologie – Kennzeichen – Bestände. Franckh-Kosmos Verlag, 2. Auflage 2014 (2)
- Alfred Brehm: Brehms Tierleben, 3. Band – Die Vögel ; Bibliografisches Institut, Leipzig und Wien, 1921 (7)
- Birdlife International. 2016. Haliaeetus albicilla . Die IUCN Rote Liste gefährdeter Arten 2016: e.T22695137A93491570. http://dx.doi.org/10.2305/IUCN.UK.2016-3.RLTS.T22695137A93491570.en . Heruntergeladen am 13. August 2018 (8)
- Horst Stern, Gerhard Thielcke, Frederic Vester, Rudolf Schreiber: Rettet die Vögel – wir brauchen sie. A. Herbig Verlagsbuchhandlung, München/Berlin, 1978 (9)