Im folgenden Abschnitt haben wir für Sie interessante Informationen über die Rohrweihe zusammengestellt. Illustriert wurden die Texte mit Fotos von fokus-natur.de.
Die Rohrweihe (Circus aeruginosus) ist die größte, der bei uns zu beobachtenden Weihen (Circus). Sie erreicht in etwa die Größe eines Mäusebussards; ist aber viel leichter und schlanker als dieser. Auch in der Gefiederfärbung der Männchen bildet sie unter den vier heimischen Arten eine Ausnahme. Während die Männchen von Korn-, Steppen- und Wiesenweihe alle sehr ähnliche weiße und graue Farbtöne zeigen und dadurch oft nur schwer auseinander zu halten sind, ähnelt das Federkleid der Rohrweihenmännchen in seinen verschiedenen Brauntönen eher dem Aussehen ihrer weiblichen Artgenossen. Worauf wohl auch der lateinische Name „aeruginosus“ zurückgeht, der in etwa „rostfarbig“ bedeutet.
Bestandsentwicklung der Rohrweihe
Auch im Bestandstrend unterscheidet sich die Rohrweihe deutlich von ihren Verwandten, die alle unter drastischen Bestandseinbußen zu leiden haben. Zumindest in Mitteleuropa wachsen die Rohrweihenpopulationen in den letzten Jahren nach starken Bestandsrückgängen im vorigen Jahrhundert nun wieder deutlich an. Neben dem Verbot der Bejagung und dem Rückgang der Pestizidbelastung in der Landschaft dürfte dazu auch die zunehmende Besiedlung landwirtschaftlicher Flächen, wie Raps- und Getreidefelder als Brutraum beigetragen haben. In letzter Zeit stagniert allerdings der Bestand regional wieder. Vor allem Bruten in landwirtschaftlichen Flächen und anderen Brutplätzen, die nicht im Schutz von Röhrichten in Gewässern stehen, sind zunehmend nicht mehr erfolgreich. Mutmaßlich eine Folge des gestiegenen Wildschweinbestandes.
Der europäische Brutbestand wird heute auf etwa 100.000 – 180.000 Brutpaare geschätzt – fast die Hälfte des Gesamtbestandes (8).
Für Deutschland wurden für die Jahre 2010 – 2013 ca. 8800 Paaren ermittelt. Die Hauptvorkommen konzentrieren sich dabei auf die Tieflandgegenden Mecklenburg-Vorpommerns mit ca. 2000 Paaren, Niedersachsens und Bremens mit ca. 1500 Paaren, Brandenburgs und Berlin mit ca. 1400 Paaren und Sachsen-Anhalts mit ca. 1200 Paaren (2).
Das Verbreitungsgebiet der derzeit drei anerkannten Unterarten der Rohrweihe erstreckt sich von Nordafrika, über weite Teile Europas bis in das südliche Skandinavien und nach Osten in einem breiten Streifen über Asien bis nach Sachalin und Nordjapan. Als ursprünglicher Bewohner von Röhrichtbiotopen („Rohr“weihe) besiedelt sie dabei vorrangig ausgedehnte Auenlandschaften der Tiefebenen.
Balz- und Fortpflanzungsverhalten der Rohrweihe
Rohrweihen sind Zugvögel. Während asiatische Rohrweihen meist in Indien überwintern, verbringen mitteleuropäische Vögel den Winter mitunter schon im Mittelmeerraum, meist aber in Afrika südlich der Sahara. Bereits ab Ende März erfolgt von dort die Rückkehr in unsere heimischen Brutgebiete.
Dort beginnt die neue Brutsaison alljährlich mit beeindruckenden Balzspielen, die uns A. Brehm in seiner typischen bildreichen Sprache eindrucksvoll beschreibt:
„Die einzige Zeit, während der er seine träge Langsamkeit, sein kriechendes Leben, wie ich sagen möchte, verleugnet, während der er Sumpf und Schilf verläßt und sich unter den wunderbarsten Flugkünsten in den höchsten Lüften umhertummelt, gleichsam als wolle er zeigen, was er im Fliegen vermöge, ist die seiner Liebe. Ein Paar dieser sonst so verborgen lebenden Vögel, die man fast das ganze Jahr über nicht bemerkt, ist imstande, im Monat April die ganze Gegend zu beleben. Bevor das Weibchen seine Eier legt, also während der Begattungszeit, steigt das Paar oft in die höchsten Luftschichten und führt, in höherem Grade noch als Milane, kunstvolle und wechselreiche Spiele aus, die sich von denen der Milane hauptsächlich dadurch unterscheiden, daß die Vögel sich dann und wann aus bedeutender Höhe auf den Boden hinabfallen lassen, daselbst einige Augenblicke verweilen und von neuem zu spielen beginnen, ganz ähnlich, wie andere Weihen ebenfalls tun…Gesellen sich zu ihnen, wie dies die Regel ist, Milane und silberfarben glänzende Wiesenweihen, vielleicht auch noch ein Königsweihe, und üben die verschiedenen Vögel gemeinschaftlich ihre Flugkünste aus, so bieten die so belebten Auen dem Beobachter ein reizendes Frühlingsbild.“(7)
Die typischen Bodennester für die jährlich einzige Brut werden meist im April auf der vorjährigen Vegetation im Verlandungsbereich von Gewässern – in den letzten Jahren auch vermehrt in Raps- und Getreidekulturen – direkt auf dem Boden errichtet. Nester in Weidengebüschen oder sogar in Bäumen sind seltene Ausnahmen.
Die vier bis fünf, selten auch nur drei oder sogar sechs weißen Eier werden allein vom Weibchen etwa fünf Wochen bebrütet. Aufgabe des Männchens ist es in dieser Zeit, die Partnerin mit Nahrung zu versorgen. In Jahren mit sehr gutem Nahrungsangebot scheint das einzelnen Männchen wohl manchmal recht leicht zu fallen, so dass sie in der Lage sind, auch noch ein zweites Weibchen zu versorgen, mit dem sie sich ebenfalls gepaart haben. Obwohl die Jungvögel frühestens nach sechs Wochen ihre Flugfähigkeit erreichen, beginnen sie oft schon im Alter von drei bis vier Wochen die Umgebung des Nestes zu Fuß zu erkunden. Durch die daraus resultierende zerstreute Verteilung der Jungvögel im Umkreis des Nestes wird die Gefahr des Totalverlustes der Brut durch Prädatoren erheblich minimiert.
Nach Mebs/Schmidt (2) beträgt die Überlebensrate junger Rohrweihen im ersten und zweiten Lebensjahr etwa 50 %; danach etwa 75 %. Das bisher in Freiheit erreichte Höchstalter der Vögel von fast 19 Jahren wurde durch Beringung nachgewiesen.
Futterstreitigkeiten zwischen Rohrweihenweibchen und Rotmilan:
In der Nahrungswahl ist die Rohrweihe recht anpassungsfähig. Aus dem niedrigen Suchflug werden dabei meist im blitzschnellen Zugriff am Boden immer die am häufigsten vorkommenden Kleinsäuger und Kleinvögel erbeutet. Seltener werden auch Amphibien und Reptilien erjagt oder meist schon tot aufgefundene Fische und anderes Aas verspeist.
Quellenangaben:
- Theodor Mebs; Daniel Schmidt: Greifvögel Europas – Biologie – Bestandsverhältnisse – Bestandsgefährdung. Franckh-Kosmos Verlag, Stuttgart 2012 (1)
- Theodor Mebs; Daniel Schmidt: Die Greifvögel Europas, Nordafrikas und Vorderasiens – Biologie – Kennzeichen – Bestände. Franckh-Kosmos Verlag, 2. Auflage 2014 (2)
- Alfred Brehm: Brehms Tierleben, 3. Band – Die Vögel ; Bibliografisches Institut, Leipzig und Wien, 1921 (7)
- IUCN 2014. IUCN Red List of Threatened Species. Version 2014.2. . Downloaded on 2017 (8)