Im folgenden Abschnitt haben wir für Sie interessante Informationen über den Gänsegeier zusammengestellt. Illustriert wurden die Texte mit Fotos von fokus-natur.de.
Lateinisch: Gyps fulvus (Vultur fulvus)
Englisch: Eurasian Griffon
Französisch: Vautour fauve
Schwedisch: gåsgam
Spanisch: Buitre Leonado
Italienisch: Grifone
Russisch: Белоголовый сип
Porträt Gänsegeier
Mit einer Körpergröße um 100 cm und einer Flügelspanne über 250 cm ist der Gänsegeier (Gyps fulvus) einer der großen Altweltgeier (Aegypiinae) und um Einiges größer als ein Seeadler.
Die Geschlechter zeigen dabei in der Färbung keinen Geschlechtsdimorphismus. Männchen und Weibchen unterscheiden sich in der Regel auch nicht im Körpergewicht (8 bis 11 kg).
Aufgrund ihrer Größe und der deutlichen Zweifarbigkeit – Rumpf, Beine und der obere Teil der Flügel sind hellbraun bis rostfarben, der größere Teil der Flügel (Schwingen und Steuerfedern) schwarzbraun – sind Gänsegeier in Europa eigentlich kaum mit anderen Vögeln zu verwechseln. Besonders gut ist diese kontrastreiche Färbung im Flug zu erkennen.
Verbreitung des Gänsegeiers
Das heute stark zersplitterte Verbreitungsgebiet der Art umfasst große Teile der südwestlichen Paläarktis in einem breiten Band von Nordafrika bis Vorder- und Zentralasien und bis zur Mongolei, Nordindien und Westpakistan. Nach Norden reicht das Areal bis in das südliche Mitteleuropa – Iberische Halbinsel, Sardinien, Südfrankreich und weite Teile des Balkans.
Das europäische Vorkommen des Gänsegeiers war in historischer Zeit viel größer als heute und reichte auch viel weiter nach Norden.
Von Mebs/Schmidt (2) wird die Bestandsentwicklung folgendermaßen beschrieben: „ Das Brutareal hat sich im Laufe der letzten Jahrhunderte stark verkleinert. Im Mittelalter kamen Gänsegeier sogar im Rheingebiet zwischen Worms und Trier als Brutvögel vor und noch im 18. Jahrhundert auf der Schwäbischen Alb, wo sie durch die verbreitete Schafhaltung eine ausreichende Nahrungsgrundlage hatten. Im Zusammenhang mit Tierseuchen-Bekämpfungsvorschriften einschließlich des Verbots der nomadisierenden Viehhaltung – speziell in den Balkanländern -, mit einer strikten Kadaver-Verwertung und anderen Hygienepraktiken haben sich die Nahrungsgrundlagen für Geier in den meisten ehemaligen Brutgebieten enorm verschlechtert, sodass die Geier-Bestände und deren Brutareale stark abgenommen haben. “
Eine weitere Ursache – zumindest in Südosteuropa – war sicher in der flächendeckenden Anwendung von Giftködern zur Bekämpfung von Fleischfressern zu sehen.
In den letzten Jahrzehnten konnte dieser Negativtrend allerdings regional durch konsequente Schutzmaßnahmen, gelungene Wiederansiedlungsprojekte (Frankreich und Italien) und zahlreiche Futterplätze glücklicherweise gestoppt werden. Heute ist für Europa wieder von fast 30 000 Brutpaaren auszugehen – fast 90 % davon allein in Spanien. Außerhalb Spaniens und Südfrankreichs ist die Situation allerdings weiter schlecht, viele Reliktvorkommen im restlichen Europa, z.B. auf der Krim, in Griechenland und auch in Israel nehmen weiter ab, sind sehr klein oder stehen vor dem Erlöschen.
Eine neue Gefährdung erwächst den Vögeln allerdings durch die ungenügend kontrollierte Installation von Windkraftanlagen. So wurden allein in nordspanischen Windparks zwischen 2000 und 2006 732 getötete Gänsegeier gefunden.
Gänsegeier bevorzugen als Lebensraum bergige Regionen und heiße Steppengebiete, die ihr typisches Flugverhalten mit starken Aufwinden unterstützen. Hier errichten die geselligen Vögel in steilen Felswänden auch ihre umfangreichen Reisignester, die Innen oft mit grünen Zweigen ausgepolstert werden. Als Koloniebrüter können diese Gemeinschaften durchaus mehr als 100 eng beieinander brütenden Paaren umfassen.
Fortpflanzung des Gänsegeiers
Mit Erreichen der Geschlechtsreife im Alter von 4 – 5 Jahren gehen Gänsegeier meist eine lebenslange Dauerehe ein. Alle Aufgaben im Zusammenhang mit Brut und Aufzucht des jährlich einzigen Jungvogels werden dann von beiden Eltern gemeinsam übernommen.
Die Ablage des Eies erfolgt in Südeuropa meist im Januar oder Februar. Nach einer Brutdauer von etwa 50 Tagen verbringt der Jungvogel anschließend durchschnittlich weitere 20 Wochen bis zum Ausfliegen im Horst. Die Nahrungsversorgung erfolgt dabei insbesondere am Beginn der Nestlingszeit ausschließlich mit vorverdautem Futterbrei aus dem Kropf des Altvogels.
Gänsegeier können sehr alt werden. Das bekannt gewordene absolute Höchstalter eines Gänsegeiers in Gefangenschaft betrug 55 Jahre.
Ernährung des Gänsgeiers
Die Nahrung der Gänsegeier besteht ausschließlich aus frischem oder bereits verwesendem Aas. Gefressen werden dabei vor allem die inneren Organe und der Mageninhalt sowie das Muskelfleisch von mittelgroßen bis großen Säugetieren. Aufgrund des Rückgangs oder Verschwindens von Kadavern großer Wildtiere verwerten Gänsegeier heute zumindest in Europa praktisch ausschließlich tote Haustiere.
Die Nahrungssuche der Geier erfolgt dabei in einem Umkreis von bis zu 60 km um ihren Brutplatz. Neben auf dem Boden liegendem Aas, beachten die Geier aber auch das Verhalten bodenlebender Raubtiere und vor allem anderer aasfressender Vögel um sich Nahrung zu erschließen.
Beim Fressen sind sie ebenso gesellig wie am Schlaf- und Brutplatz. In der Hierarchie am Kadaver stehen sie aber hinter Wolf, Schakal und Mönchsgeier und müssen diesen den Vorrang einräumen. Gegenüber allen anderen Aasfressern sind sie aber die dominante Art.
Zugverhalten des Gänsegeiers
Das Zugverhalten der Gänsegeier ist offenbar komplex und in vielen Bereichen noch nicht vollständig erforscht. Altvögel sind aber sicher überwiegend Standvögel. Jungvögel und noch nicht geschlechtsreife Vögel streifen auf der Suche nach Nahrung oft weit umher und werden teilweise sogar als Zugvögel eingestuft.
Seit längerer Zeit übersommern immature Gänsegeier in den Alpen und in den letzten Jahren fliegen sie auch verstärkt in das nördliche Mitteleuropa ein.
Im Frühjahr 2005 gab es erstmals einen solch spektakulären Einflug in die Schweiz mit 122 Tieren und Truppgrößen bis 40 Individuen.
2006 folgte dann auch ebenso beeindruckend Deutschland, wo ab Anfang Mai insgesamt etwa 164 Exemplare gezählt wurden – allein 57 Tieren beim größten Trupp in Mecklenburg-Vorpommern.
Die Ursachen dieser großen Einflüge sind immer noch nicht abschließend geklärt. Neben der Bestandszunahme in Südwesteuropa könnten auch strengere Regelungen zur Tierkörperbeseitigung in Spanien ab 2006 oder klimatische Veränderungen dabei eine Rolle spielen. Zumindest aber konnte durch Farbberingung die Herkunft fast aller Vögel aus Frankreich und Spanien belegt werden.
Quellenangaben:
- Theodor Mebs; Daniel Schmidt: Greifvögel Europas – Biologie – Bestandsverhältnisse – Bestandsgefährdung. Franckh-Kosmos Verlag, Stuttgart 2012 (1)
- Theodor Mebs; Daniel Schmidt: Die Greifvögel Europas, Nordafrikas und Vorderasiens – Biologie – Kennzeichen – Bestände. Franckh-Kosmos Verlag, 2. Auflage 2014 (2)
- IUCN 2014. IUCN Red List of Threatened Species. Version 2014.2. . Downloaded on 2017 (8)